(un)heimlich traurig

Liebe Mama,

Marie ist jetzt ein Schulkind. Wir haben ihre Einschulung im letzten Sommer gefeiert. Ich hatte ein etwas mulmiges Gefühl zwischen all den Mamas, die neben ihren Mamas standen und stolz ihre Kinder an ihrem ersten Schultag begleiteten.
Zu Beginn des Tages gab es einen Einschulungsgottesdienst. Am Ende des Gottesdienstes schlug ich Marie vor, eine Kerze für dich anzuzünden. Sie fand die Idee toll und auch Alexander wollte unbedingt eine Kerze für die Oma anzünden, die an Maries großem Tag leider nicht dabei sein konnte.
Ich bin froh, dass wir dir diesen Raum auf der Einschulung geben konnten, das hat es ein klein wenig leichter gemacht. Trotzdem bin ich unendlich traurig, dass du diesen großen Tag nicht zusammen mit deiner Enkeltochter erleben konntest.
Sie macht ihre Sache wirklich sehr gut. Nach dem ersten Halbjahr kann sie nun schon ganze Texte flüssig lesen und rechnet und schreibt schon super.
Zum Ende des ersten Halbjahres gab es letzte Woche eine Urkunde für viele großartige Lernergebnisse in Klasse 1.
Ich bin so stolz auf Sie und du wärst es auch!

♥ Deine Mücke

Liebe Mama,

"Mach's gut Mausi," hast du zu mir gesagt. Es war das Letzte, was du zu mir gesagt hast. Es waren deine Abschiedsworte für mich. Ich werde diese Worte nie vergessen. Ich werde versuchen, es gut zu machen. Ich brauche dazu noch etwas Zeit. Aber ich werde es gut machen, irgendwann.

♥ Deine Mücke

Liebe Mama,

ich frage mich, warum du mir nicht früher gesagt hast, dass du uns und diese Welt verlassen wirst. Ich frage mich, warum ich nicht wissen durfte, wie bald dein Leben enden wird. Ich frage mich, warum du dein Leid nicht mit mir geteilt hast. Ich frage mich, warum ich dir diese Fragen nicht mehr stellen durfte. Ich frage mich, warum du einfach verschwunden bist.
Du bist aus meinem Leben verschwunden, ganz still und heimlich. Du bist verschwunden, ohne Dich noch einmal umzudrehen. Du bist verschwunden, ohne noch einmal herzhaft zu lachen. Du bist verschwunden, ohne noch einmal mit mir zu reden. Du bist verschwunden, ohne noch einmal mit mir gemeinsam zu weinen. Du bist verschwunden und ich war einfach allein.
Ich bin allein mit meinen Fragen, die ich dir nicht mehr stellen kann. Ich bin allein mit meinen Gefühlen, die ich nicht mehr mit dir teilen kann.
Ich bin allein, du bist verschwunden und ich frage mich, warum?

❤️ Deine Mücke

Liebe Mama,

Heute habe ich mich auf die Suche nach deiner Stimme gemacht.
Ich habe dich im Internet gesucht. Ich habe nach all der Zeit Fotos von dir gefunden und deine Todesanzeige.
Das war es allerdings nicht, wonach ich gesucht habe. Ich habe versucht, deine Stimme wiederzufinden.
Diese vertraute Stimme, die sagt 'Ach komm Mücke', die so viel Liebe in sich trägt, die so viel Wärme und Geborgenheit ausstrahlt, die macht, dass alles wieder gut ist. Immer.
Ich habe sie nicht gefunden. Deine Stimme schweigt. Sie schweigt schon lange, sie schweigt noch immer und sie schweigt immer lauter.
Ich will sie wiederfinden. Ich will sie noch einmal hören. Ich will noch einmal deine Stimme hören.

❤️ Deine Mücke

Liebe Mama,

Letzte Nacht hast du mich im Traum besucht. Es war so echt. Es war so schön dich zu sehen, dich zu hören, dich zu fühlen. Ich habe schon lange nicht mehr so viel Glück gespürt.
Und ich wollte dich nicht wieder loslassen, wollte dich nicht gehen lassen, wollte einfach bei dir bleiben, für immer.
Ich bin so unendlich froh, dass du bei mir warst. Bitte komm mich bald wieder im Traum besuchen, vielleicht tut es dann bald nicht mehr so weh.

❤️ Deine Mücke